Sexueller Missbrauch und körperliche Misshandlungen durch katholische Kleriker. Beurteilung nach kirchlichem Recht sowie zivil- und strafrechtliche Folgen nach deutschem Recht

Kleriker, der gegen das 6. Gebot des Dekalogs "in anderer Weise" verstößt, soll gemäß c. 1395 § 2 CIC mit einer gerechten Strafe belegt werden. Erfasst sind auch nach staatlichem Recht nicht strafbare Berührungen, Gespräche mit sexuellem Inhalt und Ähnliches mehr. Die Verhängung der Strafe...

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Main Author: Eicholt, Bernd 1961- (Author)
Format: Print Article
Language:German
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Published: Beck 2010
In: Neue juristische Wochenschrift
Year: 2010, Volume: 63, Issue: 39, Pages: 2849
IxTheo Classification:SA Church law; state-church law
Further subjects:B Catholic church Codex iuris canonici 1983. can. 1395, §2
B Law
B State
B Sexual abuse
B Minor
B Criminal law
B Germany
Description
Summary:Kleriker, der gegen das 6. Gebot des Dekalogs "in anderer Weise" verstößt, soll gemäß c. 1395 § 2 CIC mit einer gerechten Strafe belegt werden. Erfasst sind auch nach staatlichem Recht nicht strafbare Berührungen, Gespräche mit sexuellem Inhalt und Ähnliches mehr. Die Verhängung der Strafen erfolgt im Rahmen eines kirchlichen Strafverfahrens. Ob ein Strafverfahren durchzuführen ist, entscheidet der Ordinarius nach durchgeführter Voruntersuchung, c. 1342 CIC. Dieses im CIC geregelte Verfahren ist für die Fälle sexueller Übergriffe von Klerikern gegen Minderjährige durch Sonderregelungen mehrfach modifiziert worden. So entscheidet über die Einleitung eines Strafverfahrens die Glaubenskongregation; der Ordinarius muss, wenn ihm derartige Straftaten bekannt werden, diese Kongregation hierüber informieren. Der Diözesanbischof kann den Pfarrer in diesen Fällen aber auch unabhängig von einem kirchlichen Strafverfahren seines Amtes entheben. Für das Gebiet der Deutschen Bischofskonferenz gilt ferner, dass in jeder Diözese eine Person zu benennen ist, die entsprechende Hinweise prüft. Alle kirchlichen Mitarbeiter sind verpflichtet, diese zu unterrichten, wenn sie von solchen Vorwürfen Kenntnis erlangen. In erwiesenen Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger wird gegebenenfalls das Gespräch mit der Staatsanwaltschaft gesucht. Begeht ein Kleriker derartige Übergriffe, kommt eine Haftung der Diözese gemäß § 823 Absatz I, BGB § 31, BGB § 829 BGB in Frage. Da die Seelsorge die zentrale Aufgabe der Kirche ist, repräsentieren diejenigen, die diese Aufgabe jedenfalls in wesentlichen Teilen nach außen hin wahrnehmen, die Kirche und sind damit deren Organe. In Ausübung der Verrichtung handeln Kleriker, wenn die Missbrauchshandlungen im Zusammenhang mit ihren kirchlichen Aufgaben geschehen. Unterlässt ein kirchlicher Amtsträger eine Strafanzeige gegen einen Kleriker, dem ein sexueller Missbrauch zur Last fällt, scheidet eine Strafbarkeit gemäß § 138 Absatz I StGB aus, weil es eine Anzeigepflicht nur bei den dort enumerativ aufgeführten Delikten gibt, zu denen die hier in Betracht kommenden §§ 174, 176ff., 223ff. StGB nicht gehören. Das Unterlassen der Strafanzeige begründet eine Strafbarkeit gemäß § 258 Absatz I StGB, wenn das Opfer durch Zahlung von "Schmerzensgeld" bewegt werden soll, von einer Strafanzeige abzusehen und dabei unlautere Mittel - z. B. Täuschung oder Drohung - angewandt werden. Der Betrauung eines bereits "auffällig" gewordenen Klerikers mit Seelsorgeaufgaben kann eine Strafbarkeit gemäß § 229 StGB des für den Personaleinsatz verantwortlichen kirchlichen Amtsträgers zur Folge haben, wenn der Kleriker erneut einen Übergriff begeht. Dagegen scheitert eine Strafbarkeit des Personalverantwortlichen gemäß §§ 176, 13, 27 StGB in diesen Fällen am fehlenden Vorsatz hinsichtlich weiterer Taten, wenn versucht wurde, diese durch Versetzung und psychologische Betreuung des Klerikers zu verhindern. Im Rahmen eines Strafverfahrens sind kirchliche Mitarbeiter, die von der Begehung derartiger Straftaten erfahren haben, regelmäßig zu Aussagen verpflichtet. Ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Absatz I 1 Nr. 1 StPO besteht nur, wenn ihnen eine Information in ihrer Eigenschaft als Seelsorger bekannt wurde. Soweit kein Auskunftsverweigerungsrecht besteht, können die sich auf die Vorfälle beziehenden Beweismittel gemäß § 94 StPO sichergestellt und beschlagnahmt werden. Durchsuchungen und Beschlagnahmen bei der Person, die in einer Diözese als Ansprechpartnerin für derartige Fälle bestimmt ist, sind unzulässig, § 97 STPO § 97 Absatz I Nr. 3 StPO
ISSN:0341-1915
Contains:Enthalten in: Neue juristische Wochenschrift